Altes antikes Glas sammeln
Mehr als eine Einführung
Glas hatte immer mehr als nur dekorative Funktionen. Es hatte vor allem praktische Aufgaben. Aber auch Glas, welches ausschließlich für die praktischen Dinge des Lebens produziert wurde, wurde oftmals, und dies zeigt insbesondere altes Glas immer wieder, sehr filigran und künstlerisch hergestellt. Das Material besitzt viele Vorteile. Es ist äußerst widerstandsfähig gegen äußere Einflüsse wie Wärme, Kälte, Feuchtigkeit, Säuren, Laugen, es verfällt nicht beim Lagern und in ihm lassen sich die unterschiedlichsten Dinge aufbewahren. So war und ist es gerade für die Speicherhaltung, für die Vorratshaltung ein wesentliches Material. In der Sparte der Bevorratung existieren kleine bis kleinste Gefäße für den Haushalt für Gewürze, Eingemachtes, Lebensmittel, für das Büro für Kleber, als Tintenfaß und vieles mehr bis hin zu Großformen zum Beispiel im Hochbau von Fensterscheiben, welche vor den Unbilden des Wetters schützen bis zu den gewaltigen Kuppelformen zum Beispiel beim Deutschen Bundestag in Berlin.
Im Bild rechts Briefbeschwerer von 1930
Bevor wir uns mit der Geschichte und Entstehung des Glases beschäftigen, kurz ein paar Worte zur historischen Entwicklung. Führend war über Jahrhunderte, wie in vielen Dingen, Rom und das römische Reich. Die Bedeutsamkeit Roms in der Herstellung von Glas währte bis ins Mittelalter, bis in die Zeiten der Renaissance. Eine Vorstellung über die hohe Qualität bekommt man, wenn man sich einen Besuch eines römischen Museums vornimmt. Ich selbst habe oftmals die Saalburg besucht, ein wieder aufgebautes Kastell der Römer am Limes nördlich von Frankfurt im Taunus. Im dortigen Museum kann man neben vielen anderen Ausstellungsstücken altes Glas, antikes Glas aus der Zeit der damaligen Jahrtausendwende begutachten.
Noch während der Renaissance entwickelte sich insbesondere Venedig als Handels-, Wirtschafts- und Seemacht zu einem Zentrum der Glasproduktion. Den Venezianern sollen wir im 16. Jahrhundert die Erfindung des Kristallglases zu verdanken haben. Andere nennen Böhmen im 17. Jahrhundert. Es verbreitete sich rasch über das alte Europa. Wie auch beim Porzellan sind es die Ausgangsmaterialien, die über seine Qualität bestimmten. So gilt das deutsche Kristallglas als besonders hart. Dieses kommt natürlich dem Glasschnitt entgegen, der gerade in Deutschland hoch entwickelt war und ist. In Holland war die Diamantgravur, der sogenannte Diamantriß verbreitet. Im 19. Jahrhundert schließlich gewann Glas aus Böhmen immer mehr an Bedeutung. Das dort hergestellte Kristallglas enthielt keine Metalloxide, sondern Kreide, welche diesem zu hoher Reinheit verhalf. Exponate aus Böhmen sind bei Sammlern heute sehr begehrt. Ebenfalls im 19. Jahrhundert wurde das so beliebte Pressglas erfunden. Erstaunlich dabei ist, dass diese Erfindung nicht in Europa passierte, sondern in den USA im Jahre 1825.
Danach begann auch bei der Herstellung von Glas nach der glanzvollen Biedermeier-Epoche die Mechanisierung, die Massenproduktion. Noch einmal lebte parallel zu der Entwicklung der Massenproduktion und Herstellung von „günstigem“ Glas eine Wiederbelebung alter handwerklicher Techniken auf. Sie erfasste die späten Gründerjahre, den Jugendstil und das nachfolgende Art Deco. Altes Glas aus diesen fünfzig Jahren und davon mit Fokus auf den Jugendstil gilt heute vielen, und ich stimme hier voll in die Lobeshymnen mit ein, zum schönsten und Beeindruckendsten, was die Künstler der Vergangenheit hervorgebracht haben. Diese hohe Kunst werden wir heute kaum noch erreichen können!
Für den beginnenden Sammler ist es unabdingbar, sich zunächst in Museen und Auktionen einen Überblick über das sehr umfassende Sammelgebiet zu verschaffen. Nur hier bekommt man das richtige „Preisgefühl“. Künstlich hergestelltes Glas gibt es seit der Antike; über die Renaissance über das Mittelalter bis zur Neuzeit sind die Sammelgebiete breit gefächert. Eine Spezialisierung scheint also sinnvoll zu sein.
Steinzeit – Naturglas
Etwa 9000 Jahre wird es her sein, als der Steinzeitmensch das Obsidian, Naturglas vulkanischen Ursprungs, als Schneidewerkzeug entdeckte und es auch zu Schmuck, Schalen u. ä. verarbeitete. Obsidian ist ein Gestein, das nach Vulkanausbruch bei schneller Abkühlung der Lava entsteht.
Andere Arten von Naturglas entstehen beim Aufprall von Meteoriten durch Aufschmelzung des Gesteines, aber auch durch Gewitter über Sandlandschaften wie Wüsten, wenn Blitze in den Sand einschlagen und durch die Hitzeentwicklung Quarzglas oder Kieselglas (Fulgurite), welches überwiegend aus amorphem Siliziumdioxyd (SiO2) besteht, erzeugt wird. Die Fulgurite sind auch unter dem Namen „Blitzröhre“ bekannt.
Geschichte und Herstellung, Antike und Frühzeit
Künstliches Glas wird nachweislich seit etwa 5.500 Jahren hergestellt. So kannten bereits die Ägypter die Technik der Glasur auf ihren Gefäßen aus Ton- oder Steingut. Aus ägyptischen Königsgräbern sind Funde wie Glasperlen aus der Zeit etwa 3.000 bis 4000 Jahre vor unserer Zeitrechnung bekannt. Hohlgläser werden in Mesopotamien und Ägypten schon vor etwa 3.500 Jahren hergestellt. Zeitgleich wird im Kaukasus das erste Glas hergestellt. Aus etwa 650 v. Chr. stammt das älteste bekannte Rezept zur Herstellung vom assyrischen König Ashurbanipal: „Nimm 60 Teile Sand, 180 Teile Asche aus Meerespflanzen und 5 Teile Kreide und du erhältst Glas“. 1480 v. Chr. tauchen erstmals datiertes Glas im Handel in Ägypten auf. Es ist bereits gefärbt auf der Basis von Kupfer oder Mangan und wird kurz darauf auch schon künstlerisch behandelt. In der Folge bilden sich Glaszentren an der syrischen Küste, in Mesopotamien, auf Zypern und Rhodos. 621 v. Chr. wurden in Gräbern der Hallstattzeit Glasperlen geborgen. Die damals wohl führende syrische Herstellungstechnik wurde insbesondere von Alexander dem Großen (356-323 v. Chr.) gefördert. Durch die Erfindung des Glasschmelzofens und der Glasmacherpfeife um 200 v. Chr. wurde die Herstellung auf eine neue qualitative Stufe gestellt und die Herstellung von Flachglas ermöglicht. Die Glasmacherpfeife ermöglichte nun das kunstvolle Mundblasen. Das neue Material setzte sich nun auch als Haushaltsgegenstand, z.B. zur Aufbewahrung, immer mehr durch. Eine neue Epoche in der Glasmacherkunst begann, die sich von der bisherigen, welche durch das Schmelzen in Gruben charakterisiert war, in der Qualität deutlich abhob. Während des 1. Jahrhundert v. Chr. gelangte die neue Technik der Herstellung durch die Römer auch nach Italien. Rom wurde zum Zentrum der Glasmacherkunst! Glasfenster entstanden und vor allem das berühmt gewordene Diatretglas der Römer. Dieses ist ein doppelwandiges Gefäß, dessen äußere Wand durchbrochen ist, die innere Wand also mit einem durchbrochenem Glasnetz ummantelt. Mit der Ausbreitung des Römischen Kaiserreiches gelangte die Glaskunst in den ersten drei Jahrhunderten nach Christus bis weit nach Nordeuropa. So wurden im Jahre 50 bereits in Trier und in Köln, beides römische Gründungen, Glasmachereien eingerichtet. Auch in unseren Breiten wurde Diatretglas hergestellt. Die Kölner Manufakturen waren um das Jahr 100 berühmt für ihre Verzierungen und Fadenauflagen. Nach den Niederlagen der römischen Heere und dem damit verbundenen Rückzug der Römer aus den besetzten Gebieten in den Jahren zwischen 300 und 400 war parallel auch ein Niedergang in der Glasmacherkunst zu beobachten. Viele der innovativen Techniken der Römer gerieten in Vergessenheit und gingen verloren. Die Manufakturen in unseren Breiten vereinfachten Formen und Ausgestaltung. Insgesamt dürfte das Siechtum in der Glasmacherkunst nahezu 500 Jahre bis etwa zum Jahre 1000 angehalten haben.
Mittelalter
Es war schließlich die Kirche, welche der Glasmacherkunst wieder zum Aufschwung verhalf. Bereits um 300 tauchen in christlichen Katakomben mit Goldgläsern und Kannen Exemplare der spätrömischen Glaskunst auf. Im Jahre 591 werden von Gregor vo Tour Kirchenfenster erwähnt. Die Fensterglasherstellung war besonders in Syrien berühmt. Aus dem Jahre 674 datiert der Einsatz von Glasfenstern in englischen Kirchen. Um 800 gingen viele Glashütten in das Eigentum der Kirche über; es entstand ein kirchliches Glasmonopol! Anhand der überlieferten und erhaltenen Stücke scheint das Material nur noch im überwiegend kirchlichen Bereich produziert worden zu sein. Parallel zum Siechtum im Norden Europas erreichte die Glasmacherkunst in Italien eine neue Blüte. Beeinflusst von orientalischen Techniken wuchs Venedig zum Zentrum der filigranen Glasherstellung heran. Heutzutage sind besonders die Objekte dieser Epoche in Sammlerkreisen sehr gesucht. Für die weltliche Glasmacherkunst in Mittel-und Nordeuropa bedeutete die neue venezianische Kunst eine Initialzündung. So entdeckte der Adel die Glaskunst erneut und beauftragte die künstlerisch hochwertigen Stücke, welche heute sehr selten und begehrt sind. Im weltlichen und alltäglichen Bereich setzen sich nun, um 1150 bis 1200, sogar Glasfenster in Privathäusern durch,- zuerst in England und dann, 200 Jahre später, auch in unserer Gegend. Wenn man dabei bedenkt, dass Glasfenster in Deutschland sich somit erst etwa 1400 Jahre nach den ersten Fenstern in Rom durchgesetzt haben, kann man erst die nahezu unbegreiflichen Pionierleistungen der Römer begreifen und erkennen, auf welch hohem qualitativen Niveau diese römische Gesellschaft, die wir nur als Eroberer kennen, bereits zu Zeiten Christi Geburt angelangt war. Die Blütezeit in Venedig reichte bis ins 17. Jahrhundert. Der Aufschwung im kirchlichen und anschließend im weltlichen Bereich, insbesondere die Nachfrage nach Glasscheiben, hatte zur Folge, daß die Holzvorräte im Umkreis der städtischen Glashütten nach und nach zur Neige gingen. Man verlagerte also Glashütten in die Wälder; das heute gesuchte „Grüne Waldglas“ hatte hier seinen Ursprung! Grün deshalb, weil sich der hohe Gehalt an Eisenoxyd und unausgelegte Pottasche auf die Farbgebung auswirkte. In der Volksglaskunst wurden nun eher einfache Trinkglas- und Becherformen, aber auch „Spaßformen“ wie der Kuttrolf, auch Angster genannt, produziert. Der Kuttrolf war eine im Mittelalter beliebte Trinkflasche mit einem kugeligen Bauch und einem aus mehreren dünnen Röhren geflochtenen Hals. Der gewundene Hals ließ die Flüssigkeit nur tropfenweise fließen. Der Flaschentyp fand bis ins 19. Jahrhundert in der Volkskunst Verwendung. Änderungen der Zunftgesetze ermöglichten den Glasmachern im 16. Jahrhundert den Bau von Gebäuden, so daß viele Glashütten in die Ortschaften verlagert wurden. Es war überhaupt eine Zeit der technischen Revolutionen. Weltweit entstanden Glashütten. Alte orientalische Glaskünste, byzantinische Glaskünste wurden über Kreuzzüge, Völkerwanderungen weit verbreitet. Das Material fand Einzug in die Wissenschaft; Galileo erfand den Vorläufer des Thermometers, chemische und pysikalische Glasapparaturen konnten hergestellt werden.
Renaissance und Barock
Die Zeit der Renaissance in Deutschland war in der Glasherstellung geprägt von Formgläsern und emailbemalten Gläsern. Diese Gläser sind heutzutage besonders rar. Der Glasschnitt in Deutschland beginnt eigentlich erst mit Georg Schwanhardt ab 1622 in Nürnberg. Schwanhardt war der Schüler des berühmten Glasschneiders Caspar Lehmann, der in Prag am Hofe Rudolfs des II. arbeitete. Während des Barock erlebte der Glasschnitt in Deutschland seine Blütezeit. Berühmt sind hier die Becher, Kelche und Pokale.
Biedermeier
Das Biedermeier ab ca. 1820 ist wohl eines der lohnensten Sammelgebiete. Es gibt Formgläser, Farbglas, Transparent- und Steinglas und die typischen Ansichtengläser. Entfallen sind im Biedermeier die prunkhaften Darstellungen der vorangegangenen Epochen.
Führend in der Glasmacherkunst war im Biedermeier Böhmen. Hier findet man häufig Ansichtengläser, bemalte oder beschriftete Überfanggläser oder Gläser mit allegorischen Darstellungen.
Aus dem Barock stammt noch die Technik des „Goldrubinglas„. Beim Goldrubinglas unterscheidet man drei Arten. Das gefärbte Goldrubinglas ist bei Weitem das wertvollste. Hier wurde das Material in seiner ganzen Masse durch Einschmelzen von Gold rubinrot gefärbt. Diese Gläser sind recht selten. Etwas günstiger sind die Gläser mit Goldüberfängen, wobei lediglich eine Glasschicht mit eingeschmolzenem Gold über den ansonsten farblosen Glaskörper gezogen wurde. Diese Gläser strahlen gleichfalls die rötliche Farbe aus, sind aber eben nicht in ihrer ganzen Masse gefärbt, daher auch nicht so wertvoll. Die billigste Art der Herstellung von Goldrubingläsern war schließlich die Lasur auf dem Objekt mit anschließendem erneutem Brennen.
Ab 1830 sind böhmische Gläser oftmals von einer großen Farbprächtigkeit, hergestellt durch Farblasuren Farbüberhängen.
Nicht nur im Biedermeier, sondern während des ganzen 19. Jahrhunderts waren Ansichtengläser, sogenannte Vedutengläser, sehr beliebt.
Unter Veduten versteht man in der Kunstmöglichst realistische Abbildungen von Landschaften, Parks oder Städten. Sie kamen in der Regel auf allen Arten von Gläsern vor.
Die Pioniere und berühmtesten Vedutenhersteller waren Samuel Mohn (1760-1815), dessen Sohn Gottlieb Mohn sowie Anton Kothgasser (1769-1851). Bekannt ist von daher der Begriff der Mohngläser.
Die böhmischen Glasschneider arbeiteten oftmals in westlichen bekannten Badeorten und bearbeiteten dort Gläser nach den Wünschen der betuchten Kurgäste. Um realistische Veduten zu erzeugen, wurden topographische Drucke oder andere realitätsnahe Abbildungen als Vorlagen genutzt. Bei Ansichtsgläsern lag lange Jahre Bad Kissingen in der Gunst der Sammler vorn.
Historismus
Die Gläser des Historismus, welcher Ende des 20. Jahrhunderts Sehnsüchte nach alten antiken üppigen Formen erweckte, ist ein noch relativ junges Sammelgebiet. Die Gläser wurden nun wieder größer und aufwendiger gestaltet, alte Glasmacherstile zuweilen auch einfach imitiert.
Weiterführende Links zum Thema
Jugendstil
Eines der beliebtesten Sammelobjekte sind die Gläser des Jugendstils. Quasi als Kontrapunkt zur Schlichtheit des Biedermeier bestimmen nun Blüten, Blätter und Rankendekore das Aussehen der Gläser.
Berühmte Jugendstilglaskünstler waren der Lothringer Emile Galle, Loetz, Schneider oder Lalique.
Art Deco
Die Formenvielfalt des Jugendstils hielt sich bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts. Die Zeit des Art Deco trat auch wieder als Kontrapunkt zum Jugendstil auf. Es dominieren nun strenge geometrische Formen.
Empfohlene Literatur
Leider sind einige der angeführten Bücher nur noch antiquarisch zu erhalten.
J. Blau: „Die Glasmacher im Böhmer- und Bayerwald“, Regensburg, 1954
F. Mehlmann: „Glas“, Freiburg, 1983
W. Spiegl: „Biedermeier-Gläser“, München, 1981
W. Neuwirth: „Das Glas des Jugendstils“, Wien und München, 1974
Hilschentz-Mlynek: „Glas, Historismus, Jugendstil, Art Deco, Düsseldorf und München, 1984
Zu empfehlende Museen
Stadt- und Bädermuseum, Bad Salzuflen
Kunstgewerbemuseen in Berlin, Frankfurt/Main, Köln, Nürnberg
Veste Coburg
Glasmuseen in Freienau, Bayerischer Wald
und Zwiesel, Bayerischer Wald
Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg
Glasmuseum, Passau
Kunstmuseum, Düsseldorf
November 24th, 2019 at 11:55
Hallöchen,
Dachbodenfund – aber finde nichts im Internet, kann mir vielleicht jemand sagen von wann und woher diese Glasflasche stammt ?!
Aufschrift: PAUL SCHULZ * SEE
Danke im Voraus 🙂
Liebe Grüße
August 28th, 2014 at 21:55
hallo und guten tag,
abrissglas ist mir seit langem ein begriff, jedenfalls vermag ich diese art von gläsern von anderen zu unterscheiden.
inden beiden sachbüchern zum thema „alte gläser“ gibt es aber im angefügten sachregister keinen derartigen begriff (abrissglas), auch wikipedia schweigt sich zu diesem begriff aus.
wie ist das zu erklären? gibt es einen anderen ausdruck für den gleichen sachverhalt?
vielen dank und frendliche grüsse
bernd meinen