Französische Hersteller
Bedeutung des Bisquitporzellans für Deutschland und Frankreich
Das 19. Jahrhundert mit den großen Umbrüchen, der industriellen Revolution und der Gründerzeit gilt auch bezüglich der Entwicklung der Puppen als das Jahrhundert der Puppen. Dies lag ganz gewiss auch an der Entwicklung der Herstellungsmaterialien. Bis ins 19. Jahrhundert wurde nicht nur der Korpus, sondern auch das Wichtigste und Prägendste einer Puppe, der Kopf, aus Holz, Wachs oder Masse beziehungsweise Papiermaché geformt. Die Körper dieser frühen Puppen waren derart gestaltet, dass man eine wichtige Funktion erfüllen konnte, – das Anziehen. Es waren teilweise einfachste Holzkonstruktionen, welche den Korpus bildeten und über welchen man die Kleidung ziehen konnte. Besonders in Frankreich war neben den Köpfen die Kleidung oftmals wichtiger als der Rest der Puppe; Mode spielte in unserem Nachbarland schon immer eine große Rolle. Zufrieden war man allerdings nicht mit dem Zustand der Puppen. Man war schon Anfang des 19. Jahrhunderts ständig auf der Suche nach neuen Materialien, um die Puppenköpfe und Puppenkörper zu verbessern, ihr Aussehen zu verbessern, sie stabiler zu machen. Und in Deutschland wurde seit einigen Jahrzehnten ein neues Material entwickelt und zur vollendeten Reife gebracht!
Die Wiedererfindung des Porzellans im 18. Jahrhundert durch Böttger in Meißen ließ dann dieses neue Material nach und nach in die Puppenproduktion einfließen. Über das teure Parianporzellan und das glasierte Porzellan erreichte die Produktionsentwicklung schließlich ihre Krönung, – das Biskuitporzellan!
Die Einführung des Bisquitporzellans war für die Puppenindustrie eine ganz entscheidende. Dies lag natürlich am Material selbst! Natürlich hatte es damit zu tun, dass die Öberfläche des Bisquits dem Aussehen der menschlichen Haut am nächsten kam. Die Puppenindustrie profitierte hier von der hohen Qualität in der Herstellung von Porzellan, die gerade in Thüringen eine große Tradition besaß. Hier gab es die besten Grundstoffe wie erstklassiges Kaolin für das Porzellan, hier gab es die profiliertesten Experten im Bemalen und Herrichten der Köpfe, hier wurden Puppenteile aufgrund der jahrelangen Einbindung der Familien als kleine Manufakturen und Zuarbeiter preisgünstig wie nirgendwo sonst produziert. Die großen Puppenmanufakturen waren im Grunde Porzellanmanufakturen, wie man am Beispiel von Simon & Halbig exemplarisch studieren kann.
Die deutschen Hersteller belieferten die französische Puppenindustrie
Das Bisquitporzellan bescherte der thüringischen Puppenindustrie einen enormen Schub. Dieser fiel auch so stark aus, weil die französischen Puppenmacher gerade die Porzellanköpfe aus Deutschland, und hier vorwiegend Thüringen, bezogen. Es war ganz einfach eine Standortfrage. Die Vorzüge des thüringischen Porzellans und deren qualitativ hochwertigen Ausgangsstoffe habe ich oben beschrieben. Die französischen Hersteller wie Jumeau, Simonne, Huret, Gaultier, Steiner, und die anderen, sie alle hatten ihr Domizil fernab irgendwelcher Rohstoffquellen im Quartier du Marais in Paris. Dieser Stadtteil wird auch als Paris der Kreativen, der Künstler, der Boutiquen, der Atelies beschrieben. Er wird umrahmt von Notre Dame im Süden, vom Centre Pompidou im Westen, vom Platz der Republik im Norden sowie der ehemaligen Bastille im Osten.
Dieses „Paris“ drückte sich auch in den französischen Puppen jener Zeit aus. Es waren Modepuppen, „poupées de mode“, kleine Damen, die den Modestil der Pariser Modedesigner transportierten. Die Körper der bis Mitte des 19. Jahrhunderts vorwiegend steifen Puppen der französischen Manufakturen waren aus Holz oder aus Ziegenleder; sie wurden ab etwa 1840 beweglich. Die nun beweglichen Gelenke funktionierten mit Scharnieren, welche an allen möglichen Extremitäten wie Händen, Füßen, Ellenbogen, Schultern angebracht waren. Solche Gelenkscharniere funktionierten bei Körpern aus Holz; die Körper aus Ziegenleder wurden mit sogenannten Zwickelgelenken, eingenähten Keilen, beweglich gemacht. Das Jahr 1861 stand für den allseits beweglichen Kopf; das Objekt, welches sich Huret patentieren ließ, wurde zusammen mit einer Schulterplatte aus Porzellan geliefert.
Die französischen Hersteller bezogen die Puppenköpfe aus Bisquitporzellan von etwa 1840 bis 1870 aus Deutschland. Ein vorläufiges Ende bereitete dieser Handelsschiene der Deutsch-Französische Krieg 1870/1871.
Die französische Modepuppe bekommt Gesellschaft, – die Spielpuppe Bébé
Ab etwa 1875 bekamen die französischen Kinder endlich auch ihre Puppe zum Spielen, – die Bebe! Die bis dahin favorisierten „poupées de mode“, diese kleinen Damen, die eher der Erziehung und Belehrung dienten und weniger dem Spielen, waren immer weniger gefragt. Es waren die großen französischen Hersteller, welche Mitte des Jahrzehnts die ersten robusten voll beweglichen Spielpuppen, die Bébés, herausbrachten. Die Köpfe dieser Puppen waren allerdings weiterhin aus Bisquitporzellan.
Die Franzosen kümmerten sich in den Folgejahren bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts intensiv um die Entwicklung ihrer Bébés. Der Konkurrenzkampf der Firmen umfasste nun auch die Herstellung der Porzellanköpfe; seit dem Krieg 1870/71 waren diese Lieferungen ausgeblieben! Viele kleinere Firmen mussten diesen Machtkämpfen weichen, konnten die vielen Innovationen aus Kostengründen nicht mehr mitvollziehen. Alles kreiste nur noch um die Bébés; um 1885 stellten die Franzosen fast nur noch diesen Puppentyp her. Ausstattung und Material wurden immer anspruchsvoller. Perücken aus Mohair, Paperweight-Augen, viele technische Mechanismen ließen die Bébés immer teurer und aufwändiger werden. Hauptabnehmer wurden die USA.
Manche Puppen konnten nun sprechen, sich bewegen, den Kopf nicken, konnten essen, manche gar schwimmen. Vom ursprünglichen Ziel, nämlich Spielpartner für das Kind zu sein, entfernten sie sich immer mehr. Letztendlich war es so, dass die großen Hersteller eigene Bildhauer beschäftigten, welche die Köpfe modellierten oder eigene Modedesigner, die die Puppen mit dem neuesten Pariser Chic ausstatteten. Ende des 19. Jahrhunderts hatten sich die französischen Hersteller im Kreis gedreht! Von den „poupées de mode“ wollte man abkommen hin zu einer Spielpuppe; an diesem Punkt war man kurzfristig angelangt, bevor die Entwicklung von dieser Bébé-Spielpuppe zur „bébé de mode“, so möchte ich sie einmal bezeichnen, einsetzte. Diese Modebébés wurde für die Bevölkerung zunehmends unerschwinglich. Zum Spielen waren sie zudem zu kostbar. Vielleicht ist dies der Grund dafür, dass viele dieser Modebébés heute noch in außergewöhnlich gutem Zustand zu erwerben sind. Natürlich zu entsprechenden Preisen!
Wettkampf mit den deutschen Herstellern
Diese große Phase des französischen Bébés war auch insgesamt die größte Zeit der französischen Hersteller. Die Franzosen hatten im Rahmen ihres Konkurrenzkampfes, der ja damit begann, dass sie mit Beginn des Krieges zwischen Frankreich und Preussen 1870 keine Puppenzubehörteile aus Thüringen mehr bekamen und sie ihre Entwicklung zwangsläufig selbst in die Hand nahmen, die Qualität ihrer Puppen so hoch getrieben, dass diese Qualität für diese Jahre sogar von den deutschen Manufakturen nicht erreicht wurde.
Aber die deutschen Produzenten holten wieder auf. Sie besaßen ganz einfach die hervorragenden Ausgangsrohstoffe und konnten aufgrund der Heimarbeiterstruktur billiger produzieren. Sie erreichten zwar nicht ganz die Qualität der hochgezüchteten französischen Modepuppen, aber ich glaube, das wollten sie auch gar nicht. Sie wollten verkaufen und über den massenhaften Verkauf wieder die Vormachtstellung weltweit erreichen, die sie bis 1870 besaßen. Die Franzosen litten unter dem Wirtschaftskampf mit ihren thüringischen Konkurrenten, versuchten verzweifelt, die Produktionskosten zu senken, die Qualität abzuspecken, aber gegen Ende des 19. Jahrhunderts war der Konkurrenzkampf eigentlich schon entschieden. Gegen die ländlich strukturierten Porzellanmanufakturen mit hoher Qualität aus Thüringen kamen die auf Paris konzentrierten französischen Hersteller auf Dauer nicht an.
Ein letzter Versuch, ihre Stellung auf dem Weltmarkt zu behaupten, war die Gründung der Société Francaise de la Fabrication des Bébés et Jouets, der S.F.B.J., im Jahre 1899. Dieser Gesellschaft zur Produktion von Bébés und Spielwaren gehörten die zehn wichtigsten Hersteller Frankreichs an: Fleischmann und Bloedel, die die Gesellschaft leiteten, Jumeau, Gaultier, Wertheimer, Pintel & Godchaux, Girard, Remignard, Gobert, Genty und Bouchet. Allein schon die Trennung in der Gesellschaftsbezeichnung von Bébés und Spielwaren scheint mir den konzeptionellen Fehler der französischen Hersteller aufzuzeigen. Das, was sie zunächst erfolgreich machte, nämlich eine Spielpuppe zu kreieren, machen sie mit der Trennung von Puppe und Spielwaren zunichte. Der Niedergang begann doch damit, dass man die Spielpuppe wieder auf Modepuppenniveau hochzüchtete; die Gesellschaftsbezeichnung zementiert diese Einstellung! Die Fusion der Gesellschafter hatte nur kurzfristigen Erfolg. Zunächst konnte durch die Zusammenführung von Produktionsmitteln günstiger produziert werden. Die Vorteile machten sich aber nicht nachhaltig bemerkbar. Es kam, was kommen musste. Fast 30 Jahre, nachdem der Krieg die deutschen Lieferungen nach Frankreich unterbrochen hatte, nahmen die französischen Hersteller wieder die Verbindung zu ihren deutschen Konkurrenten auf und ließen ihre Porzellanköpfe wieder kostengünstig in Thüringen herstellen. Dazu übergaben sie den Thüringern die von ihren Bildhauern designten Kopfformen sowie ihre Vorstellung der Bemalung. Sodann wurden in den deutschen Porzellanfabriken die Köpfe gegossen, gebrannt, bemalt und nochmals gebrannt. Die fertigen Köpfe wurden danach nach Paris geliefert. So kam es, dass bereits um die Wende zum 20. Jahrhundert Abermillionen von französischen Bébés, egal ob von Jumeau, Galtier, Cru oder Fleischmann, mit thüringischen Köpfen auf den Markt kamen.
Bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges lieferten die deutschen Hersteller ungefähr 6 Millionen Köpfe pro Jahr nach Frankreich. Ab etwa 1905 markierte die französische Produktionsgesellschaft ihre Puppen im Nacken mit der Kennzeichnung „S.F.B.J. / France / Paris“.
Ich erwähnte bereits, dass der kurzfristige Erfolg der Franzosen nicht anhielt; die Bébés blieben trotz der eingeleiteten Maßnahmen einschließlich der unattraktivsten, dem Import aus Deutschland, einfach zu teuer. Der Absatz sank. Mit Beginn des ersten Weltkrieges 1914 wiederholte sich die Situation von 1870. Die Handelsbeziehungen wurden abgebrochen, die deutschen Köpfe waren nicht mehr verfügbar, die Qualität sank demzufolge und die hohen Preise blieben, da man ja nicht mehr auf die günstigen deutschen Köpfe zurückgreifen konnte.
Es war wohl die Absatzkrise, die die Franzosen zwang, sich auch an der deutschen Produktion zu orientieren. Ähnlich wie in Deutschland zum Beispiel bei Kämmer & Reinhardt begann auch die S.F.B.J. die Produktion von Charakterpuppen. Man konnte nach dem Krieg eine Serie mit 27 Exemplaren initiieren. Die S.F.B.J. dehnte in den Folgejahren ihre Produktion auch auf andere Puppen, auf Puppenbedarf für Puppenstuben wie Puppenmöbel, aber auch auf Plüschtiere aus. An Material wurde nicht nur Porzellan eingesetzt, sondern auch Filze, Holz, verschiedene Stoffe wie Seide oder Samt oder gar Pappe. Die Qualität wurde stark herabgesetzt. Die Folgen des Krieges machten sich scheinbar weit mehr bemerkbar als in Deutschland. Selbst Nachkriegspuppen mit berühmten Bezeichnungen wie die „Bébé Jumeau“ konnten nur noch als Billigspielzeug bezeichnet werden.
Nach dem zweiten Weltkrieg
In den 50er Jahren nach dem zweiten Weltkrieg nahm die S.F.B.J. die Produktion von Billigspielzeug wieder auf. Den hohen Stand der französischen Hersteller des späten 19. Jahrhunderts konnte dieses Spielzeug aber nie wieder erreichen. Bereits im Jahre 1957 kam für die einst hoffnungsvoll gestartete Produktionsgemeinschaft S.F.B.J. das Ende.
Wichtige französische Hersteller
Pierre und Emile Jumeau
Francois Gaultier
Léon Casimir Bru
M. Chevot
Paul Girard
Jules Nicolas Steiner
M. Bourgoin
Rabéry et Delphieu
E. Martin
Salomon Fleischmann & Jean Bloedel
Pintel & Godchaux
A. H. Bouchet
E. L. Genty
A. B. Gobert
F. Remignard
Arthur Wertheimer
Madame Huret
siehe auch: Puppen, Barbies, Cellba, Drei-M, Kämmer & Reinhardt, Charakterpuppen Kämmer & Reinhardt, Käthe Kruse, Schildkröt, Schildkröt Ursel, Kewpies Googlies, König & Wernicke, Herstellungsmaterial Puppen, Puppendoktor , Bild-Lilli, Simon & Halbig, Schildkröt Ursel
April 2nd, 2017 at 12:28
was für eine puppe ist das
April 2nd, 2017 at 12:25
brauche hilfe zu diesen puppen